Seit Jahren weiß man, dass Datenlecks bei verschwiegenen Institutionen eher die Regel als die Ausnahme sind. Wikileaks trägt es im Namen, Ex-Geheimdienstler Snowden im Koffer. Geldwäscher sind nicht mehr so sicher, wie sie meinen. Das Fatale: Die gerissenen Gangster sind längst ganz woanders.
“Oh wie schön ist Panama” dichtete einst Janosch und ließ seine Protagonisten, die Freunde Tiger und Bär, ins scheinbar gelobte Land aufbrechen – welches sie nie erreichen und am Ende ihrer Irrwege glücklich wieder zu Hause landen. Die illustrierte Kindergeschichte wäre vielleicht dem ein oder anderen internationalen Steuersparer zu empfehlen: Am schönsten ist es vielleicht doch beim heimischen Finanzamt. Denn die mehr als elf Millionen Datensätze mit dem Umfang von rund vier anspruchsvollen handelsüblichen Computerfestplatten lassen kaum Wünsche offen, wenn es um Enttarnung windiger Geschäfte geht.
Die Diktatoren und die Dummen
Leider auch sonst nicht: Denn zahlreiche Unternehmen, die für ihr Amerikageschäft eine Holdinggesellschaft gegründet haben und ihre Steuer ganz normal bezahlen – dort wo immer sie zu Hause sind – geraten mit in den Sturm. Andere allerdings, von finsteren Diktatoren bis hin zu scheuen Fußballstars, dürften wohl ein paar schlaflose Nächte haben. Mindestens. Aber wer sind diese Leute?
Zunächst einmal dürfte es sich in vielen Fällen um diejenigen unter den Steuerflüchtlingen oder Geldwäschern dieser Welt handeln, die weder hyperbegabt noch reaktionsschnell auf der Weltbühne agieren. Denn spätestens seit 2013, als die ersten Offshore-Leaks die Gemüter erhitzten, war bekannt, dass niemand mehr sicher ist – schon gar nicht im internationalen Datennetz.
Selbst hermetische Firewalls und kaum knackbare Codes helfen nicht weiter, wenn der Datendiebstahl im Unternehmen stattfindet oder die Programmierer gleichzeitig Publicity suchen – daran gemahnt der Fall des einstigen Mitarbeiters der Genfer Niederlassung der Bank HBSC, Hervé Falciani. Der wird in der Schweiz polizeilich gesucht, in Frankreich jedoch hofiert: Die Pariser Finanzbehörde fand nichts Anrüchiges an all den Erkenntnissen über die reicheren ihrer Mitbürger. Des einen Straftäter ist schnell des anderen Nationalheld.
Mit Ingrimm gegen Steuersünder
Von da bis zu immer neuen Daten-CD mit brisanten Erkenntnissen zieht sich eine pekuniäre Spur der Verwüstung durch die Depots der Diktatoren und Scheichs, der Industriemagnaten und Vermögensverschleierer. Wer 2016 noch auf die Integrität mittelamerikanischer Vermögenssammelstellen vertraut, muss daher wohl zu den eher Unbedarften gehören – oder zu jenen ohne Ausweg in Richtung Legalität, sei es nun der isländische Parlaments-Promi oder ein ukrainischer Präsident. Gerade also werden da offenbar die Letzten von den Hunden gebissen. Die schlechte Nachricht dabei: Die Versierten sind längst weg, auch wenn 2,6 Terabyte Daten fragen lassen, wer da eigentlich nicht dabei ist.
Derweil kündigt die panamaische Staatsanwaltschaft Ermittlungen an – und das ist durchaus ernstzunehmen. Panama hat ein funktionierendes Rechtssystem, die Steuergesetzgebung begünstigt zwar ausländische Anleger, jedoch nicht Geldwäscher und Terroristen. Schon aufgrund seiner exponierten Lage mit dem international bedeutsamen Panama-Kanal und natürlich der Nachbarschaft zu den USA, wo man recht grimmig hinter Steuersündern her ist, erlaubt nichts anderes.
In Panama muss, so der Frankfurter Steuerrechtsexperte David Witzel, nur das versteuert werden, was dort auch verdient wird. Ausländische Erträge zählen eben nicht dazu – dass alle dort hinfließenden Gelder allerdings redlich versteuert wurden in Deutschland oder anderen Ländern, mag er kaum glauben. Damit wird ein legales Instrument der Unternehmenssteuerung, so Witzel, nun aber von vorneherein als anrüchig erscheinen. Er weiß von Konten und Briefkastenfirmen, die bereits in den sechziger Jahren angelegt wurden: von der Großelterngeneration heutiger Vermögender. Denen allerdings sei es im Kalten Krieg um die Sicherung ihres Familienerbes gegangen in einer krisenträchtigen Epoche des Ost-West-Konflikts. Mit heutiger Steuervermeidung habe das nichts zu tun gehabt.
Bleibt nur der gebeugte Gang zum Gericht
Deutsche, die sich betroffen wähnen, bleibe nur noch der Weg der Selbstanzeige – allerdings nur so lange, wie ihre Verfehlung noch nicht entdeckt worden ist. Das lässt auf einige Arbeit für Steueranwälte schließen, die da in den nächsten Monaten auf sie zukommen dürfte.
In schweres Fahrwasser gerät nun die panamaische Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die das Dokumentenaufkommen beherbergte. Allein an die fünf Millionen E-Mails sind da zusammengekommen zwischen den Inhabern der Briefkastenfirmen und ihren Betreuern. Ausgerechnet E-Mails: Es gibt wohl kaum eine Kommunikationsform, die anfälliger für Spionage ist als diese. Auch dies ein Indiz dafür, dass sich Steuerhinterzieher in völliger Sicherheit fühlten. Und das ist entweder ziemlich dumm oder sehr frech.
http://www.heute.de/panama-papers-bedrohen-die-diktatoren-und-die-dummen-kommentar-schlieker-42967020.html